Zunächst gilt: Die Mitgliederversammlung ist eine rein vereinsinterne Angelegenheit. Es
sind auch ausschließlich die Mitglieder, die eine Einberufung verlangen können. Weder das Vereinsregister noch das Finanzamt (bei gemeinnützigen Vereinen) können hier Vorgaben machen. Gibt es von
Seiten der Mitglieder keine Einwände, bleibt die Verschiebung also ohne Folgen.
Auf die Satzungsregelungen kommt es
an
Die Frage nach den rechtlichen Folgen einer Verschiebung stellt sich ohnehin nur, wenn
die Satzung hier Vorgaben macht. Nach der gesetzlichen Regelung (§ 36 BGB) gilt: „Die Mitgliederversammlung ist in den durch die Satzung bestimmten Fällen
sowie dann zu berufen, wenn das Interesse des Vereins es erfordert.“ Trifft die Satzung keine Regelungn, liegt es im Ermessen des Vorstands, ob und wann er die MV einberuft. Die Mitglieder
haben hier allein über das Minderheitenbegehren einen rechtlichen Hebel. Zwar kann jedes einzelne Mitglied einen entsprechenden Antrag beim Vorstand stellen. Er muss dem aber nicht
nachkommen.
Enthält die Satzung Regelungen zum Turnus (z.B. einmal jährlich) und/oder zum Zeitpunkt
der MV (z.B. im ersten Quartal), liegt zwar ein Satzungsverstoß vor, wenn der Vorstand die MV nicht entsprechend einberuft. Auch hier ist aber meist nur die Frage, ob einzelne Mitglieder in diesem
Fall die Möglichkeit haben, die Versammlung rechtlich zu erzwingen.
Welche rechtlichen Hebel haben
Mitglieder?
Auch wenn es die Satzung nicht dem Ermessen des Vorstands überlässt, wann die
Mitgliederversammlung einzuberufen ist, können einzelne Mitglieder die Einberufung meist nicht durchsetzen.
Eine Klagemöglichkeit einzelner Mitglieder zur Durchsetzung der Satzungsvorschrift gibt
es nur im Sonderfall. Regelmäßig sind die Mitglieder auf das Minderheitenbegehren verwiesen. Das gilt auch, wenn die Satzung Vorgaben zum Zeitpunkt der MV macht.
Ausnahmsweise kann eine solche Mitgliederklage möglich sein, wenn die Satzung das
Minderheitenbegehren durch ein hohes Quorum (z.B. 40 oder mehr Prozent) erheblich erschwert und zudem die absolute Zahl der erforderlichen Mitglieder (bei mitgliederstarken Vereinen) sehr groß
ist.
Minderheitenbegehren trotz
Covid-Beschränkungen?
Dem Mitgliederbegehren kann der Vorstand zunächst gelassen entgegen sehen. Auf den Antrag
eines einzelnen Mitglieds muss er wie oben gezeigt nicht reagieren. Ein Minderheitenbegehren setzt aber eine entsprechende Zahl von Mitglieder voraus – nach BGB 10 %; dieses Quorum kann die Satzung
erhöhen. Das Minderheitenbegehren richtet sich zunächst ebenfalls an den Vorstand. Erst wenn der sich weigert bzw. nicht reagiert, kann die Minderheit sich an das Registergericht wenden und sich zur
Einberufung ermächtigen lassen.
Das Oberlandesgericht München hat kürzlich festgestellt, das die Einschränkungen für
Präsenzveranstaltungen wegen der COVID-19-Pandemie kein Grund sind, die Einberufung der Versammlung zu verweigern (rechtskräftiges Urteil vom 23.11.2020, 31 Wx 405/20). Wer die MV einberuft, kann
nämlich auch über die Form der Durchführung entscheiden. Das gilt auch im Fall der Einberufung durch eine Minderheit. Die MV kann also virtuell durchgeführt werden oder ihre Beschlüsse schriftlich
fassen.
Hinweis: Der Vorstand kann also nicht mit Verweis auf
die COVID-19-Pandemie Beschlussfassungen blockieren, indem er keine MV einberuft.
Können Beschlüsse nachgeholt
werden?
Grundsätzlich sind Beschlüsse der MV nicht an einen bestimmten Durchführungszeitpunkt
gebunden. Sie können also auf einer später durchgeführten MV nachgeholt werden. Das gilt z.B. auch für die Entlastung des Vorstands.
Gesetzlich gibt es keinen Unterschied zwischen ordentlicher und außerordentlicher MV, was
etwa die möglichen Beschlussgegenstände (Tagesordnungspunkte) betrifft. Nur wenn die Satzung hier spezielle Vorgaben macht – indem sie etwa bestimmte Beschlüsse nur für eine ordentliche (turnusmäßige
MV) erlaubt – gilt etwas anderes. Dann muss aber i.d.R. nur die nächste ordentliche MV abgewartet werden.
Vorstandswahlen
Die ablaufende Amtsperiode des Vorstands ist kein zwingender Grund für die Einberufung
einer Mitgliederversammlung. Nach dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ bleibt der Vorstand – auch wenn die Satzung das nicht
vorsieht – nach Ende der Amtsperiode im Amt. Diese Regelung gilt bis Ende 2021.
Ein zwingender Grund zur Neuwahl wäre also nur das Ausscheiden von Vorstandsmitgliedern
durch Rücktritt, Erkrankung oder Tod. Eine Neuwahl wäre aber nur dann zeitnah erforderlich, wenn der Vorstand nicht mehr über die zur rechtlichen Vertretung des Vereins erforderlichen Mitglieder
verfügt.
Haftungsrisiken für den
Vorstand?
Grundsätzlich kann der Vorstand haften, wenn er seiner Pflicht zur Einberufung der
Mitgliederversammlung nicht nachkommt und dem Verein dadurch ein Schaden entsteht. Bei der Verschiebung einer Mitgliederversammlung wird aber regelmäßig in Frage stehen, ob dem Verein dadurch
überhaupt ein Schaden entstehen kann.
Eventuelle Ansprüche einzelner Mitglieder richten sich hier nicht gegen den Vorstand,
sondern gegen den Verein. Das gilt auch für eine gerichtliche Klage.
Der Vorstand haftet bei einer solchen Verletzung seiner Organisationspflichten nur dem
Verein, nicht dem einzelnen Mitglied gegenüber. Entsprechend kann der Verein (d.h. die Mitgliederversammlung) den Vorstand auch von einer solchen Haftung freistellen. Auch hier haben also einzelne
Mitglieder keinen rechtlichen Hebel, Druck auf den Vorstand auszuüben.
Aus der fehlenden Entlastung des Vorstands ergeben sich jedenfalls keine unmittelbaren
Haftungsrisiken. Das bedeutet ja nur, dass mögliche Ansprüche gegen den Vorstand offen bleiben, nicht dass sie tatsächlich bestehen oder gar durchgesetzt werden.
Empfehlung
Natürlich sollte der Vorstand die Mitglieder darüber informieren, dass die
Mitgliederversammlung verschoben wird. Meist wird er hier sogar auf Zustimmung stoßen, weil auch viele Mitglieder gesundheitliche Bedenken wegen ihrer Teilnahme haben werden.
Es bietet sich an, auch den Rechenschaftsbericht außerhalb der Versammlung an die Mitglieder zu geben. Ein
eventueller Entlastungsbeschluss dazu kann wie gesagt nachgeholt werden. Auch wenn der Rechenschaftsbericht ans Finanzamt geht, muss dazu kein Entlastungsbeschluss vorliegen. Für eine eventuelle
steuerliche Haftung des Vorstands ist die Entlastung ohnehin ohne Belang.